Für bessere Farben

7 Jahre klingt.org, Stadtwerkstatt Linz, 13. Jänner

Heterogene Experimentierwerkstatt, Homebase für etliche wesentliche Musikerinnen und Visualistinnen dieses Landes, Vernetzungs- und Verkehrsknotenpunkt für die undogmatische Avantgarde aus Musik und Umgebung, Vorkämpfer für die Verletzung des Urheberrechts und „für bessere Farben“(!), Paradebeispiel für arg klingenden Anarcho-Syndikalismus, politische Selbstbestimmung durch Aneignung der ästhetischen Produktionsmittel, ... - Das alles und noch vieles mehr charakterisiert den Internetprovider klingt.org von Dieter Kovacic alias Takeshi Fumimoto alias Dieb 13. Während zweier langer Nächte an zwei Orten, der Wiener Fluc Wanne und der Linzer Stadtwerkstatt, feierte klingt.org die ersten sieben Bestandsjahre mit künstlerisch repräsentativen Teams.

In Linz marschiert ein rundes Dutzend aufs Podium, „fünf weniger und einer mehr als in Wien“, wie der Dieb erklärt, „der eine mehr bin ich“. Bevor aber sein finales, zur Abwechslung wieder einmal brachiales DJ-Set in den frühen Morgenstunden ausgeklungen sein wird, um sich bei seiner Crew mit einer Gute-Nacht-Geschichte in den Schlafräumen der Kapu zu bedanken, sollten noch etliche Sounds von der Bühne im Haus an der Donau hinunterrinnen.

Die Meisten von ihnen haben diverse Effektgerätschaften zu durchlaufen, die in der akuten elektronischen Kampfkunst unverzichtbar geworden sind. Ersparen Sie mir Gerätenamen, ich kenne sie selbst nicht! Im routinierten Duo von Martin Siewert & Boris Hauf etwa wird dermaßen viel an den Knöpfchen gedreht, dass man sich fast keine Zeit fürs Hantieren an den Instrumenten dahinter nimmt - und behält dennoch auf frappierende, mir unerklärliche Weise den Überblick über die Kommandobrücke. Unterwegs streifen Hauf & Siewert das zarte Knistern, abstrakten Country, die Brucknerorgelgitarre und schulussendlich alles zusammen aufgetürmt zu Kaskaden, die entfernt an ein abenteuerliches Frith-Solo erinnern und für ebensolche Glücksgefühle sorgen.

Auf ein akustisches Minimum reduziert, noch dazu bei verdunkelter Bühne und damit die natürliche Unruhe im Publikum in Kauf nehmend, brutzeln Wolfgang Fuchs & Maex Decker als aerom an ihren Turntables an einer feinen, kleinen Geräuschkulisse. Ein stiller Höhepunkt in der so geballten wie facettenreichen, jeweils 20- bis 30minütigen klingt.org-Leistungsschau, die im Zusammenspiel von Computer und Video im Doppel glimgrill ihren eindrucksvollen, weil detailreichen Anfang genommen hat.

Auf der optischen Ebene einen ganz anderen Weg schlägt Jan Machacek, an den Gitarren assistiert von Oliver Stotz und Alexander Wallner, ein, wenn er sich selbst auf die Leinwand projizieren lässt. Beide bleiben dabei in Bewegung, Machacek und das Videoobjektiv - was der Performance eine Durchwirkung von Klängen, Bildern und tänzerischer Körperlichkeit verleiht. Klaus Theweleits „Alles zusammen denken“ findet hier seine ästhetische Entsprechung. Cordula Bösze, Klaus Filip, Noid & Tim Blechmann verpacken diese gleich in den Bandnamen: Ihre Große Koalition agiert aktionistisch, musiziert, liest Zeitung, verwickelt einander in Diskussionen und verhandelt so die akustischen Ergebnisse und den Prozess ihrer Entstehung auf der Bühne.

Während sich auf der Trumpfkarte von Nitro Mahalia weniger der Intellekt abgebildet sieht, als vielmehr der Rocksaubartl. Damit fährt das Trompete-Keyboards-Bass-Schlagzeug-Quartett einen Stich nach dem anderen ein. Breitbeinig und großspurig, anarchisch und wild, experimentell und expressiv. Und witzig. Wer sich immer schon gern von der klugen Primitivität oder primitiven Klugheit, je nachdem, von Trans Am in die Knie zwingen ließ, liegt vor Nitro Mahalia im Schmutz. Werft den Purchen zu Poden! (felix)

Kleiner Hinweis in eigener Sache: In absehbarer Zeit fühlt sich auch dieses subversive Heftl hier wie zu Hause - unter der Adresse http://freistil.klingt.org.